Welche Auswirkungen hätte die Reform des Unionszollkodex in der aktuellen Version auf die Wirtschaftsbeteiligten?

31.05.2024

Die mit dem Unionszollkodex erhofften Ziele, hier der Digitalisierung, der Vereinfachung von Zollverfahren und einer Harmonisierung zollrechtlicher Prozesse wurden verfehlt. 111 unterschiedliche IT-Systeme machen deutlich, dass Zoll trotz des mehr als 30-jährigen Bestehen des Binnenmarkts teils zum Vor-, teils zum Nachteil von Wirtschaftsbeteiligten bislang eine nationale Angelegenheit gewesen ist und erhebliche Kosten verursacht hat.

Allerdings müssen wir uns ehrlich machen und uns die Frage stellen, warum in der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 der Bremsklotz einer modernen Entwicklung gesehen wird? Ist die angekündigte Reform des Unionszollkodex überhaupt notwendig, sind doch in der aktuellen Verordnung viele Vereinfachungs-maßnahmen vorgesehen, die der Attraktivität des EU-Binnenmarkts einen weiteren Modernisierungsschub geben würde.  In Art. 179 beispielsweise ist von einer "Zentralen Zollanmeldung", in Art. 185 von der "Eigenkontrolle" die Rede.

Was hindert uns, die uns vom Unionsgesetzgeber vorgesehenen Vereinfachungen zu nutzen. Die Hinderungsgründe können doch nicht mit aktuellen Rechtsvorschriften begründet werden. Es sind doch die handelnden Akteure, hier Wirtschaftsbeteiligte und nationale Zollbehörden.

Völlig unverständlich ist, wenn zwei Zollbehörden eines gemeinsamen Sprachraums Anträge auf die Erteilung Zentraler Zollabwicklungen niederschmettern und die ablehnende Haltung mit fadenscheinigen Argumenten begründen.  Was würde sich durch die Reform des Unionzollkodex daran ändern, es sind nicht die Vorschriften, es sind die handelnden Personen, die Fortschritte dieser oder ähnlicher Art verhindern.

Eine unverständliche Blockadepolitik in den Köpfen so manch handelnder Personen (Wirtschaftsbeteiligter / Zollbehörden) wird auch durch ein reformiertes Zollrecht kaum beseitigt, vielmehr geht es um Aufklärung einerseits und wechselseitiges Vertrauen andererseits.  

Die "Wise Persons Group" hat diese Blockadepolitik zu Recht kritisiert, schließlich haben wir es in einem Zollgebiet mit einem einheitlichen Zollrecht zu tun. 

Der Reformvorschlag der Kommission bringt interessante Vorschläge, wie beispielsweise den EU-Data-Hub. Das Vertrauen der Wirtschaftsbeteiligten hält sich aufgrund misslungener Implementierungen von EU-Datensystemen (CBAM, PoUS, EUDR) in Grenzen.

Eine weitere Schwachstelle ist in der Abschaffung des AEO-Systems zu sehen. Dieses seit 2008 in Kraft befindliche und mittlerweile bewehrte System soll durch das System Trust & Check abgelöst werden.

Warum soll ein mittlerweile gut funktionierendes System durch eine abenteuerliche Lösung „Trust & Check“ abgelöst werden?

Aufmerksame Wirtschaftsbeteiligte haben bereits erkannt, dass das System „Trust & Check“ nur für Ein- und Ausführer vorgesehen ist. Beförderer, Spediteure, Logistikunternehmen werden laut Vorschlag davon ausgeklammert.

Ein Zoll- und Logistikdienstleister kann nur Trust & Check Trader werden, wenn er als indirekter Zollvertreter agiert und fiskalische und nichtfiskalische Haftungen übernimmt, die nur ein Ein- und Ausführer übernehmen kann.

Es ist nicht anzunehmen, dass steuerliche Vertretungen, die für ihre Mandanten Steuererklärungen erstellen, für die Vollumfänglichkeit der Angaben, die Entrichtung der Abgaben und die Einhaltung von Compliance-Vorschriften, die Aufgabe ihrer Mandanten sind, eine Haftung übernehmen. Wie auch?

Warum diese von einem Zoll- und Logistikdienstleister erwartet wird, ist nicht nachvollziehbar!

Die Versagung, am System Trust & Check teilnehmen zu dürfen, führt in letzter Konsequenz zur Versagung unzähliger Vereinfachungen für das dienstleistende Gewerbe und führt dadurch zu einer Verzerrung des Wettbewerbs.

Warum das so ist?

Klein- und mittelständische Unternehmen werden kaum in der Lage sein, im Unternehmen die nötige Infrastruktur und das notwendige Know-how aufzubauen. Selbst T&C Trader werden sich eines Zollservice-Dienstleisters bedienen, weil ständige Anpassungen in Infrastruktureinrichtung und Wissens-Know-how Kosten verursacht, die outgesourct werden.

Die überwiegende Anzahl an Ein- und Ausführern (geschätzt mehr als 90 %) werden von Vereinfachungen ausgeschlossen, weil der Zollservice-Dienstleister als T&C Trader, so der Vorschlag der Kommission, in indirekter Zollvertretung tätig werden und eine Fülle an Verantwortungen übernehmen müsste, auf die er keinen Einfluss nehmen kann.

Ihm würden neben steuerlichen Verpflichtungen Anforderungen zu Carbon Border Adjustment Mechanism (=CBAM), Entwaldung (=EUDR), Zwangsarbeit, Produktsicherheit ua. übertragen.

Selbst der bestgeschulte Zollservice-Dienstleister kennt keine Betriebsinterna seiner Kunden und hat auch keinen Einfluss auf die Lieferanten, die notwendig wären, um immer rechtsrichtige Daten an die Zollbehörden zu melden.

Wie soll dieser Dienstleister direkte oder indirekte Emissionen (CBAM) errechnen oder aufgrund der Geolokalisierung (EUDR) den Inhalt dieser Angaben prüfen, um Sorgfaltspflichterklärungen auf der EU-Datenbank zu hinterlegen.

Es gilt zu vermuten, dass die Idee der Schaffung des Trade & Check Traders auf ein Misstrauensvotum der Kommission gegenüber die EU-Wirtschaftsbeteiligten zurückzuführen ist und das die Kriterien gegenüber jenen des AEO verschärft werden.

Bei einer aktuellen Anzahl von rund 18.500 AEO-Bewilligungsinhabern im gesamten Zollgebiet der EU (inklusiv Nordirland) kann heute schon mit Fug und Recht behauptet werden, dass die Anzahl von 18.500 beim Wechsel zum  T&C Trader deutlich schwinden wird.

Diese Entwicklung könnte deshalb dazu führen, dass sich klein- und mittelständische Unternehmer vom Außenhandelsgeschäft vollständig zurückziehen (kein Export, kein Import).

Sie könnten sich aber hinsichtlich der Warenein- und -ausfuhren eines Zoll- und Logistikdienstleisters bedienen. Dieser wiederum würde aufgrund des unverhältnismäßig hohen Risikos von den Vereinfachungen eines T&C Traders absehen. Zollprozesse müssten dann auf konventionelle Weise vorgenommen, wodurch sich Warenein- und -ausfuhren erheblich verteuern und Lieferfristen verzögert würden.

 

Warum (durch Wegfall des AEO-Systems) eine Verteuerung als logische Konsequenz prognostiziert werden kann:

a) Der Zoll- und Logistikdienstleister verliert die Möglichkeit, die Reduktion der Sicherheitsleistung auf tatsächlich entstandene Zollschulden von 100 auf 30 % zu nutzen.

b) Bei der Warenübernahme als zugelassener Empfänger geht die Reduktion möglicher Zollschulden verloren.  Das gilt auch für Zolllager- und sonstige besondere Verfahren.

c) Erleichterungen bei der Erteilung von Bewilligungen gehen verloren gehen.

Fazit: 

Diese und weitere Maßnahmen würden den Wettbewerb bei Ein- und Ausfuhr massiv verzerren, weil klein- und mittelständische Unternehmen kaum in der Lage sein dürften, entsprechende Zollinfrastrukturen wie hochqualifizierte Zollteams, IT-Applikationen ..) zu schaffen, um den künftigen „formellen“ Aufgaben gerecht zu werden.

 

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