Kann eine für ein Aliud entstandene, noch nicht mitgeteilte Zollschuld gemäß Artikel 124 Abs. 1 Buchstabe h der VO (EU) Nr. 952/2013 zum Erlöschen gebracht werden?

 

Der EuGH führt in seinem Urteil, C-195/03 vom 03. März 2005 (Merabi Papismedov) aus, dass eine Zollschuld auch dann entsteht, wenn eine Ware zwar beim Zoll gestellt, aber mit der unrichtigen Bezeichnung angemeldet wurde.

Zum Sachverhalt:

Im Juni 2001 trafen im Hafen von Antwerpen insgesamt 738 Kartons Nicht-Unionswaren ein. Für die Nicht-Unionswaren wurde der Zollbehörde in Antwerpen am 11. Juni 2001 eine summarische Anmeldung mit der Warenbezeichnung „Kochgeräte“ vorgelegt. Noch am selben Tag wurden die 738 Kartons als „Kochgeräte“ in das externe Versandverfahren übergeführt.

Aufgrund besonderer Umstände, auf die hier nicht näher einzugehen ist, wurde durch  das Zollfahndungsamt Antwerpen festgestellt, dass lediglich 29 der insgesamt 738 Kartons Kochgeräte enthielten. In den restlichen Kartons, die äußerlich von den 29 Kartons nicht unterschieden werden konnten, waren Zigaretten verpackt.

Der Hof van Beroep Antwerpen hat das Verfahren ausgesetzt und wollte vom Gerichtshof wissen, ob die beim Zoll in Antwerpen gestellten Waren, für die eine summarische Anmeldung unter der Warenbezeichnung „Kochgeräte“ vorgelegt wurde, als ein vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der Union  als vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der Union und damals als Zollentstehungsgrund nach Art. 202 der VO (EWG) Nr. 2913/92 oder ob es sich um ein Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung nach Art. 203 der VO (EWG) Nr. 2913/92 gehandelt hat.

Entscheidend war die Frage deshalb, weil die summarische Anmeldung von einer anderen Person abgegeben wurde als dem Anmelder für das externe Versandverfahren.

Tenor des Gerichtshofs:

Waren, bei deren Gestellung eine summarische Anmeldung abgegeben und ein externes Versandpapier ausgefertigt wurde, wurden nicht vorschriftsmäßig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht, wenn für sie in den bei den Zollbehörden eingereichten Unterlagen eine unrichtige Bezeichnung angegeben wurde. Die Zollschuld für Waren, die unter einer unrichtigen Bezeichnung gestellt und angemeldet wurden, entsteht gemäß Artikel 202 der VO (EWG) Nr. 2913/92 zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften.

VO (EU) Nr. 952/2013 Unionszollkodex

Die bisherigen Zollschuldentstehungstatbestände wegen eines Zollrechtsverstoßes (Artikel 202 bis 206 der VO (EWG) Nr. 2913/92) wurden in Artikel 79 der VO (EU) Nr. 952/2013[1]  zusammengefasst.

Im Kapitel 4, Titel III, hat der Unionsgesetzgeber Erlöschenstatbestände geschaffen, die im Artikel 124 UZK zusammengefasst sind. Die Möglichkeiten für ein Erlöschen wurden gegenüber der Vorgängerregelung deutlich erweitert.

Die Einfuhrzollschuld erlischt gemäß Artikel 124 Abs. 1 Buchstabe h des UZK, wenn in Bezug auf Waren in vorübergehender Verwahrung oder in einem Zollverfahren gegen zollrechtliche Pflichten verstoßen wurde folgende die Voraussetzungen erfüllt sind:

  1. der Verstoß, durch den die Zollschuld entstanden ist, ist in Art. 103 UZK-DA aufgeführt und war kein Täuschungsversuch.
  2. (.....)

 

Artikel 103 der UZK-DA führt aus:

  1. (.....)
  2. Für Waren, die in ein besonderes Verfahren oder in die vorübergehende Verwahrung übergeführt wurden, ist eine Zollschuld wegen eines Verstoßes gegen Zollvorschriften entstanden und die Waren wurden anschließend zum zollrechtlich freien Verkehr überlassen.
  3. (.....)
  4. (....)
  5. Es ist eine Zollschuld durch einen Verstoß gegen Zollvorschriften – ausgenommen Verstöße im Sinne von Art. 79 Abs. 1 Buchstabe c UZK (Fehlen einer Voraussetzung für die Überführung in das Verfahren) – entstanden und die betreffende Person hat die zuständigen Zollbehörden über den Verstoß unterrichtet, bevor die Zollschuld mitgeteilt wurde oder die Zollbehörden dieser Person eine Kontrolle angekündigt haben.

 

 

Welcher Zusammenhang besteht zwischen dem Papismedov-Urteil und Artikel 124 Abs. 1 Buchstabe h UZK i.V.m. Artikel 103 UZK-DA?

 

 

Voraussetzung für das Erlöschen der Zollschuld gem. Artikel 124 UZK ist, dass kein Täuschungsversuch vorliegt. Der Sachverhalt in der Causa Papismedov lässt keine Zweifel offen, dass es sich beim damals zugetragenen Sachverhalt unzweifelhaft um einen Täuschungsversuch gehandelt hat.

 

Mit der Entscheidung Papismedov wurde aber erstmals deutlich, dass die Zollschuld bereits durch die „erste“ Verfehlung, hier einer unrichtigen summarischen Anmeldung mittels einer Falschbezeichnung der Ware (es wurde also ein „Aliud“ angemeldet), die in der Folge in die Anmeldung zum Versandverfahren übernommen wurde.

Die Tatbestände des Erlöschens des Zollschuld wurden im Vergleich zur VO (EWG) Nr. 2913/92, hier Art. 233 und 234 in Artikel 124 der VO (EU) Nr. 952/2013 deutlich erweitert.

Als einzige Einschränkung verlangt der Unionsgesetzgeber, dass keine Täuschung vorliegen darf, was im Einzelfall im Hinblick auf die Kenntnis des Anmelders über den Inhalt der Warensendung zu prüfen ist.

Wie aber ist die Rechtslage, wenn es nicht um krass divergierende Warenbeschreibungen geht, sondern um unterschiedliche Einreihungsergebnisse verschiedener Anmelder für sehr ähnliche Waren?

Als Beispiel soll hier die Einfuhr einer Ware dienen, die beim Eingang in das Zollgebiet der Union anstatt „Desinfektionsmittel in Aufmachung für den Einzelverkauf auf der Grundlage von halogenierten Verbindungen“ der HS Unterpos. 3808 94 als „Calcuimhypochlorite“ der HS Unterpos. 2828 10 angemeldet wurden.

Die als Calciumhypochlorite angemeldeten Nicht-Unionswaren werden von einer Eingangs- an eine Bestimmungszollstelle in einen anderen Mitgliedstaat im externen Unionsversand befördert. Führt die Überlassung zum freien Verkehr mit der Warenbeschreibung „Desinfektionsmittel in Aufmachung für den Einzelverkauf“ zum Erlöschen der Zollschuld betreffend das Vorverfahren? Da hier nicht eine völlig andere Ware im Vorverfahren angemeldet wurde, dürften die Voraussetzungen für ein Erlöschen der Zollschuld erfüllt sein, wenn der Anmelder für das Versandverfahren keinen Täuschungsversuch begangen hat.

 


[1] Vgl. Leitfaden UZK, Lux, S 29 ff

» Rückruf erbeten

Sie haben ein Anliegen oder eine Frage?
Schicken Sie uns Ihre Kontaktdaten und wir rufen Sie gerne zurück.

callback

» Kontakt aufnehmen

Sie haben eine Frage oder benötigen unsere Hilfe?
Nehmen Sie mit uns Kontakt auf!

contact

» Skype

Und es geht auch per Skype!
Rufen Sie uns einfach an - natürlich weltweit zum Null-Tarif!

Hannl Customs Consulting